Die Geschichte vom Malzhund

Mit freundlicher Genehmigung von Irene Sommerfeld-Stur

Diese Geschichte habe ich in der Originalfassung auf der Website von "The Canine Diversity Project" entdeckt. Da sie das Problem des "Popular Sires" aber auch diverse menschliche Probleme der Hundezucht sehr treffend beleuchtet, habe ich mich entschlossen sie zu übersetzen und damit auch allen jenen zugänglich zu machen, die im Englischen nicht so bewandert sind. Hilfestellung bei der Übersetzung leistete Frau Emily Clark-Brandt.
Der Autor des Originalartikels, C. A. Sharp, ist Herausgeber des „Double Helix Network News“. Dieser Artikel erschien in Band IV No. 3. (Sommer 1998). Der Originaltitel lautet:

" The price of popularity - popular sires and population genetics "
 

"Stellen Sie sich mal den hypothetischen Fall von "Old Blue" vor, eines außergewöhnlichen Exemplares der Rasse Malzhund. Blue war perfekt: fehlerfrei, gesund und schön. An Wochentagen apportierte er von früh bis spät Malzbällchen. An Wochenenden glänzte er auf Ausstellungen ebenso wie in Malzfeldprüfungen wo er – Sie ahnen es sicher schon – Malzbällchen jagte.

Jedermann fand gute Gründe mit Blue zu züchten, und so tat es auch jedermann. Seine Nachkommen folgten seinen Spuren von Generation zu Generation. Blue starb hoch betagt und hoch geehrt. Was die Menschen aber nicht wussten war, dass Blue, so großartig er war, ein paar schlechte Gene trug. Sie schadeten ihm selber nicht und auch der größte Teil seiner direkten Nachkommen blieb unbeeinträchtigt. Dummerweise waren einige dieser Gene aber auch noch an solche gekoppelt, die wichtige Malzhundeigenschaften beeinflussten.

Dann tauchten auf einmal Malzhunde mit Problemen auf. Das passierte zunächst ganz vereinzelt, und so glaubte jedermann, dass das halt einfach Pech sei. Einige Züchter erklärten, dass das „nichts Ernstes“ sei – das waren meist solche, die selbst betroffene Hunde besaßen. Und im Großen und Ganzen machten die Züchter weiter wie gewohnt.

Die Zeit verging und immer mehr Malzhunde mit Problemen tauchten auf. Die Züchter machten es sich zum Prinzip, nicht darüber zu reden, denn bekanntlich schreiben Rüdenbesitzer Probleme der Nachkommen immer der Hündin zu, und heimsen die Erfolgslorbeeren selber ein. Und so blieben die Rüdenbesitzer still, um sich keinen Ärger einzuhandeln. Und niemand tat wirklich etwas, um den Problemen auf den Grund zu gehen, denn alle sagten sich: wenn die wirklich so schwerwiegend wären, dann würde ja wohl mehr darüber geredet werden – oder?

Jahre vergingen. Old Blue war längst in seinem Grab vermodert. Inzwischen hatte jedermann Probleme. Von wirklich großen Problemen wie Katarakten, Epilepsie oder Schilddrüsenerkrankungen bis zu kleineren wie schlechten Leistungen, fehlendem Mutterinstinkt und geringerer Lebenserwartung. Die Züchter waren ratlos. "Wie können wir das in den Griff bekommen" fragten sie. Aber es gab keine Antwort. Die Leute wurden zornig. "Die Schuldigen müssen bestraft werden" hörte man von allen Seiten. Züchter, die um ihr Zuchtprogramm fürchten mussten, mauerten. Manche ließen stillschweigend ihre betroffenen Hunde verschwinden. Einige wenige tapfere Seelen machten den Mund auf, gestanden die Probleme ihrer Hunde ein und wurden umgehend aus der Gemeinschaft verjagt.

Der Krieg griff um sich. Besitzer, Züchter und Berater beschuldigten und beschimpften sich gegenseitig. Und gleichzeitig wurde weitergezüchtet wie eh und je. Die Zeit verging und nach einigen weiteren Generationen brach die Rasse der Malzhunde unter der Bürde ihrer genetischen Belastung zusammen und wurde ausgelöscht."